Da waren meine Freundin und ich wieder in einer der zentral gelegensten Städte Deutschlands! Göttingen haben wir hinter uns gelassen und da passte es einfach wunderbar, dass Kassel gleich umme Ecke liegt.
Ein paar mal war ich bereits beruflich und privat in Kassel und konnte mir zumindest von der Innenstadt ein Bild machen. Da ich diese Stadt nun aber wesentlich besser kenne, erkenne ich, dass mein Bild von Kassel recht mickrig gewesen ist. Ich fand diese Stadt sehr angenehm zu bereisen und war positiv überrascht, wie gut wir von A nach B gekommen sind! Das liegt sicher auch daran, dass die Stadtväter nach dem Krieg den Ausbau zur autogerechten Stadt vorangetrieben haben, anstatt alte Fassaden und Stadtviertel wiederzubeleben. Trotz dieser Entscheidung sind noch immer genung wichtige historische Gebäude erhalten geblieben.
Besonderes und Einzigartiges
Kassel ist in der Republik bekannt für die Documenta und das Weltkulturerbe Bergpark Wilhelmshöhe. Dazu komme ich aber später und fange mit ein paar Besonderheiten und Kuriositäten dieser Stadt an. Kassel ist die “europäische Hauptstadt der Waschbären”! Nirgends in Europa gibt es so viele Waschbären, wie in Kassel. 1934 wurden sie in der Nähe ausgesiedelt und vergrößern ihre Population seitdem unaufhaltsam. Da der Waschbär keine natürlichen Feinde hat und sich in Städten bestens zu Recht findet, bereitet er natürlich auch Probleme – insbesondere für Hausbesitzer. Mir persönlich ist keines dieser putzigen Tierchen begegnet. Aber in der Touristeninfo kann man sich entsprechende Souvenirs kaufen.

Die Treppenstraße ist eine besondere Fußgängerzone. Sie ist die erste Fußgängerzone Deutschlands! Sie führt mehrere Treppenstufen runter.

Eine einzigartige Einrichtung in Deutschland ist das Museum für Sepulkralkultur. Im Mittelpunkt dieses Museum stehen das Sterben, der Tod und das Totengedenken.


Lange lebten die Gebrüder Grimm in Kassel und hatten hier eine sehr produktive Zeit. Ihnen zu Ehren wurde ein Denkmal errichtet und die GRIMM-Welt erbaut. Sie ist ein Ausstellungshaus, welches sich mit dem Leben und Wirken der Gebrüder Grimm befasst. Kassel ist übrigens die Hauptstadt der Deutschen Märchenstraße.



Kassel gilt als Wiege des deutschen Wasserskisports. Der Wasserskiclub Alt Kassel WAK wurde kurz nach dem Krieg gegründet und stellte über Jahre etliche Deutsche Meister.

Historische Gebäude und Architektur
Kassel wurde im Krieg sehr in Mitleidenschaft gezogen, so dass ein Großteil der historischen Gebäude zerstört wurde. Viele weitere historische Gebäude wurden zum Vorteil einer autogerechten Stadt abgerissen. Dennoch hat sich Kassel einen angemessenen Anteil an charmanten alten Gebäuden erhalten und ich finde, dass die Mischung aus moderner und historischer Architektur recht gut gelungen ist!
Das Bundessozialgericht ist eines der 5 höchsten Gerichtshöfe des Bundes und befasst sich mit der Sozialgerichtsbarkeit. Bei Nacht macht das Gebäude eine gute Figur!

Gleich gegenüber befindet sich der ICE-Bahnhof Wilhelmshöhe. Obwohl er nicht der Hauptbahnhof von Kassel ist, ist er der Bahnhof mit dem höheren Passagieraufkommen. Besonders ist außerdem, dass es Anfang der 1980er durch einen Architekturwettbewerb zur Gestaltung dieses Bahnhofs gekommen ist. Dies hat die damalige Deutsche Bundesbahn 30 Jahre lang nicht gemacht!

Der Hauptbahnhof von Kassel ist etwas zentrumsnaher und ein Kopfbahnhof. Mittlerweile wird er als Kulturbahnhof genutzt mit Programmkinos, Ausstellungsflächen, Galerien usw. Auf dem Bahnhofsvorplatz steht die Skulptur “Man walking to the Sky”, die zur Documenta IX aufgestellt wurde. Die Documenta ist die bedeutendste Ausstellung für zeitgenössische Kunst der Welt und findet alle 5 Jahre in Kassel statt.

Das Ständehaus am heutigen Ständeplatz diente Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts als Kurhessisches Parlament und wurde zu Zeiten von revolutionären Wirren erbaut. Heute sitzt dort der Landeswohlfahrtsverband Hessen.

Kunst hat neben der Documenta auch in einem anderen Bereich einen bedeutenden Platz. Die Kasseler Schule befasst sich auf klare und sachliche Art mit der Plakatkunst, Buch- und Zeitschriftengrafik. In der Neuen Galerie gab es vor wenigen Jahren eine Ausstellung dazu. Die Neue Galerie wird auch für Ausstellungen zur Documenta genutzt.


Das Rathaus von Kassel hatte ich bei meinen Recherchen gar nicht auf dem Schirm, aber es ist groß und imposant und man kommt nicht drumherum!

Interessant anzusehen ist die oktogonale Karlskirche.

Das Fridericianum am Friedrichsplatz wurde 1779 fertig gestellt und gilt als eines der ersten Museumsbauten auf europäischen Boden. Mittlerweile ist es alle 5 Jahre der Hauptausstellungsort für die Documenta und ein Documenta-Museum.

Direkt nebenan steht der Portikus des ehemaligen Roten Palais, welcher im Krieg nahezu zerstört wurde und anschließend durch einen Zweckbau ersetzt wurde. Auf dem Dach des Portikus steht die Skulptur “Ankunft der Fremden” für die Documenta IX.

Auf dem Friedrichplatz stehen einige der “7000 Eichen” des Landschaftskunstwerk “Stadtverwaldung” zur Documenta 7 von Joseph Beuys. Leider gastierte ein Zirkus zur Zeit meines Besuchs auf dem Platz, so dass ein Foto nicht wirklich aussagekräftig wäre. Die Bäume stehen an unterschiedlichen Orten in Kassel.
Zum Glück sind die Wege kurz in Kassel, so dass es ein Katzensprung zum Ottoneum war. Es war der erste feststehende Theaterbau Deutschlands und ist heute ein Naturkundemuseum.

Gleich in Sichtweite befindet sich die Fassade des ehemaligen Elisabethhospitals. Es wurde 1297 gegründet und diente als Siechenhaus und Altersheim. Mittlerweile befinden sich in dem Gebäude Wohnungen und Gastronomie.

Auch die Documentahalle ist fußläufig erreichbar. Sie ist ein großer Ausstellungsraum. Direkt daneben steht die Skulptur Rahmenbau zur Documenta 6. Von dort hat man einen schönen Ausblick auf die Karlsaue und die Orangerie.



Das Documenta-Archiv befindet sich im Gebäude des Kulturhauses Dock 4. Natürlich auch fußläufig erreichbar. Hier werden Zeugnisse von vergangenen Documentas, wie Schriftgut und Mediensammlungen aufbewahrt.
An der Fulda, welche durch Kassel fließt, befindet sich das Rondell. Etwa 500 Jahre alt war es ein alter Geschützturm für Artelleriegeschütze. Heutzutage wird es als Austellungsraum genutzt. Außerdem befindet sich dort ein Biergarten.

Direkt nebenan liegt der Renthof mit Brüderkirche – ein früheres Karmeliterkloster, Hofschule, Ritterakademie, Universitätsgebäude, Gericht und Behörde – es wird heute als Hotel, Restaurant und Veranstaltungsräumlichkeit genutzt.


Das Haus der Jugend wurde auf den Fundamenten eines alten Kastells gebaut und dient Jugendgruppen als Übungs- und Trainingsort für verschiedene Themen.

Das Karlshospital war ein ehemaliges Zuchthaus. Nach dem Krieg war es lange Zeit eine Ruine, aber es wurde vor wenigen Jahren aufwendig umgebaut und beherbergt nun ein Restaurant und Büros.

Die Ruine des Zeughauses steht nur wenige Gehminuten entfernt. Im 18. Jahrhundert galt es als eines der modernsten Militärdepots Europas. Heute wird die Ruine für Veranstaltungen genutzt. Außerdem grenzt ein Café dran.


Meine nächste Station – ebenfalls fussläufig erreichbar – war der Marstall bzw. die Markthalle. Sie ist im Inneren schön aufgeräumt und bietet ein vielfältiges Angebot an lokalen und internationalen Produkten!


Glücklicherweise traf ich auf eine freundliche Verkäuferin, welche sich bereit erklärte sich meinen 5 ausgeklügelten Fragen zu stellen!
- Erzähle / Erzählen Sie mir das Erste, was Dir / Ihnen über deine / Ihre Stadt einfällt. Der Herkules. Er ist das Wahrzeichen der Stadt und man hat von da oben eine außergewöhnliche Aussicht!
- Was ist Dein / Ihr Lieblingsort und warum? Die Fuldaaue und die Karlsaue. Sie sind sehr weitläufig und ich mag es im Grünen zu sein und mir ein wenig Erholung zu gönnen.
- Was sollte man als Tourist unbedingt gesehen haben? Den Herkules natürlich! 🙂
- Was ist typisch für Deine / Ihre Stadt? Die Stadt liegt in Deutschland sehr zentral. Das finde richtig schön, weil meine Familie und viele Freunde überall in Europa verstreut leben und es nicht allzu weit zu mir haben!
- Was wünscht Du Dir / wünschen Sie sich für Deine / Ihre Stadt? Ein bißchen mehr Sonne! Gerade in diesem Sommer hat sie sich ein wenig verkrochen…
Eine wie ich finde komische Ruine ist die Garnisonskirche. Sie wurde nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut und erschien mir recht unvollendet. Es befindet sich aktuell ein Restaurant darin.

Der Druselturm ist eines der letzten Zeugnisse der Stadtmauer Kassels. Der Turm steht leer und ist nicht zugänglich.

Auch die Martinskirche ist nah am Zentrum und schnell erreichbar. Besonders ist, dass sie ab und an als Ausstellungsort für die Documenta genutzt wurde und wird.

Zu guter Letzt sei der große Königsplatz erwähnt! Rund um den Königsplatz befinden sich etliche Geschäfte, Einkaufszentren und Bürogebäude. Als meine Freundin und ich da waren, fand gerade der Kasseler Märchenweihnachtsmarkt statt.

Natur, im Grünen und Parks
Ist man im Zentrum von Kassel, dann hat man es nicht weit ins Grüne. Die Karlsaue liegt am Rand des Zentrums und man vom Rand einen herrlichen Ausblick auf die Aue. An der Karlsaue befindet sich auch die Orangerie, welches ein barockes Schloss von 1702 ist. An dem Schloss schliesst sich ein Schlosspark an.




Die Fuldaaue – im Volksmund auch Buga genannt – wurde Ende der 1970er angelegt, im Rahmen der Bundesgartenschau. Die Fuldaaue ist ein großes Naherholungsgebiet. Ich habe nicht allzuviele Fotos geschossen, da sie im trüben Dezember nicht so fotogen ist. Die Fuldaaue liegt direkt an der Fulda – ein großer breiter Fluss.







An der Fulda läßt sich auch recht schön wohnen!
Ein riesiges Highlight unseres Besuchs in Kassel war der Bergpark Wilhelmshöhe mit dem Schloss Wilhelmshöhe dem Herkules, der Löwenburg und den vielen kleinen klassizistischen Bauten im Park. Der Bergpark ist der größte Bergpark Europas und weltbekannt. Seit 2013 steht der komplette Bergpark auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste. Von der Vorderseite des Schlosses aus kann man wunderbar auf Kassel und die Wilhelmshöher Allee schauen. Von der Wilhelmshöher Allee aus sieht man umgekeht den Bergpark.


















Auf meinem Plan stand der Frühstückspavillon zwar nicht, aber ich fand ihn richtig schön und habe ihn spontan aufgenommen in die Riege der Kasseler Sehenswürdigkeiten! Er steht sehr nahe am Museum Neue Galerie und man hat auch von dort einen hervorragenden Ausblick über die Karlsaue. Der Frühstückspavillon ist Teil der Gartenanlage des abgerissenen Schlosses Bellevue.

Kasseler Unternehmen
Ein Industrieunternehmen von Weltrang war das Unternehmen Henschel & Sohn. Bekannt wurde das Unternehmen vor allem durch die Herstellung von Lokomotiven. Henschel & Sohn wurde 1957 aufgelöst; heute existieren mehrere spezialisierte Nachfolgeunternehmen. Das Henschel-Museum + Sammlung e.V. bewahrt auf verschiedene Arten das Wirken der Henschelfamilie.

Kassel hat sich in den letzten Jahren auf regenerative Energien spezialisiert. Aus der ISET Solar wurde das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES. Das Institut befasst sich mit Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik.

Das Zentrum für Umweltbewusstes Bauen e. V. (ZUB) befasst sich mit Bauphysik und Werkstoffwissenschaften, um Gebäude energetischer zu gestalten. Die Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung e. V. (GRE) befasst sich ebenfalls mit den Themen Energieeffizienz und Energiesparmaßnahmen . Die GRE hat übrigens den Energieausweis für Gebäude erfunden!

Als einziger kommunaler Energieanbieter bieten die Städtischen Werke Kassel 100 % natürlichen Strom an.

Spezialitäten aus Kassel
Zuerst einmal möchte ich mit einem möglichen Mythos aufräumen. Kasseler Wurst und Fleisch kommt nicht aus Kassel! Der Berliner Metzger Cassel hat es erfunden.
Kassel bietet rustikale und bodenständige Köstlichkeiten an. Die Kasselaner sprechen gerne von Schmeckewöhlerchen! Das ist kein Gericht an sich – es ist einfach etwas, was besonders gut schmeckt. Und Geschmack ist ja bekanntlich eine subjektive Angelegenheit. Einige Schmeckewöhlerchen habe ich mir in der Touristeninformation gekauft – eine Konfitüre und ein Likörchen. Bekannt ist in Kassel die Ahle Wurscht – eine luftgetrocknete oder kaltgeräucherte Dauerwurst. Außerdem habe ich nordhessische Grüne Soße entdeckt! Ich dachte, dass das ausschließlich eine Frankfurter Spezialität wäre, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied. die nordhessische Grüne Soße ist wesentlich gröber/stückiger.

Eine weitere Kasseler Spezialität ist der Speckkuchen. Eine vor Kalorien nur so strotzende Spezialität, welche wir auf dem Weihnachtsmarkt kosten durften. Sie wird mit Speck, Schmand und Lauch zubereitet. Ich muss zugeben, dass mir dieser Snack einfach zu fettig war! Hätte ich nicht so gut gefrühstückt und ein tolles Mittagessen gehabt, hätte ich den Speckkuchen komplett gegessen…


In der ältesten Kneipe Kassels – dem Lohmanns – konnte ich die Spezialität Weckewerk probieren. Es wird aus verschiedenen Teilen vom Schwein und verschiedenen Gewürzen hergestellt und mit Gewürzgurken, Rote Beete, Kartoffeln und Schmandsoße serviert. Hat mir geschmeckt!


Duggefedd mit Salzkartoffeln konnte ich im Restaurant Lichtenhainer probieren. Eine Kasseler Spezialität aus Speck, Zwiebeln und Schmand.


Mein liebes Kassel,
wir kannten uns schon lange bevor ich auf die Idee gekommen bin die 100 größten Städte Deutschlands zu portraitieren, so dass ich wußte, dass ich eine interessante und entspannte Stadt besuche. Nun habe ich dich nahezu in Gänze kennen gelernt und bin positiv überrascht über so viel Vielfalt. Ganz besonders haben mir und meiner Freundin der Bergpark gefallen! Ich glaube wir werden bei Gelegenheit noch mal vorbei schauen, um den Bergpark entspannter zu besichtigen – am besten im Sommer!
Vielen Dank für die schöne Zeit und alles Gute für dich!